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Joseph Roth


DEM LEBEN DEN STACHEL NEHMEN

Die List des Joseph Roth

PDF des Hörstücks über Joseph Roth Audio des Hörstücks über Joseph Roth

"Dem Leben den Stachel nehmen", es überlisten, das war Joseph Roths Art, mit dem Leben fertig zu werden. Er konnte oft schwer zwischen Dichtung und Wahrheit unterscheiden, was auch damit zusammenhing, daß sein Leben aus lauter Umbrüchen bestand, daß er die Welt, wie sie war, nicht vertrug und sie deshalb umbiegen mußte.


Ein Leben lang versucht der österreichische Schriftsteller und Journalist mit verschiedensten Mitteln sich selbst und andere über seine Unzulänglichkeiten hinwegzutäuschen. Er wollte vollkommen sein. War es als Knabe schon sein Wunsch sich hinter einer Tarnkappe zu verbergen, im Kampf unsichtbar zu bleiben, so wurde es sein Ehrgeiz als Germanistik-Student, erfahren und elegant zu wirken wie ein Weltmann. Da ihm die materiellen Mittel dazu fehlten, erfand er die "geschickte Formulierung", das, wie er sagt, eigentliche Handwerk des Schriftstellers und des Hochstaplers.


Schriftstellerisch begabt und voller Ambitionen, gelangte er erst über den Journalismus zur Literatur. Er sah keine Kluft zwischen Literatur und Journalismus und nannte sich einen literarischen Chronisten. Genügten ihm seine angeborenen Eigenschaften nicht, so schuf er sich immer wieder um. Er lebte das selbstkreierte Ich, und es wurde für eine Weile wahr und immer wieder wahr. Die Erschaffung dieses Ich war ihm ebenso ein Bedürfnis wie das literarische Schaffen, und er feilte an sich selbst wie er an seinen Sätzen feilte. Beides sollte vollkommen sein, und dem unerfüllbaren Verlangen nach solcher doppelten Vollkommenheit und der eigenen Unzulänglichkeit halber verfiel er in späteren Jahren immer mehr dem Alkohol. Das Leben zu überlisten, ihm den Stachel zu nehmen, das gelang Joseph Roth nur scheinbar.


SPRECHER Marianne Mosa, Wolfgang Condrus, Peter Lieck, Helmut Vogel, Hort H. Vollmer, Charles Wirths, Helmut Wöstmann
MUSIK Mistinguette, Richard Strauss, Franz von Suppé, Arnold Schönberg, Fred Markush, Robert Stolz, Franz Mück, Berthold Goldschmidt, Finlay, V. Scotto, Géo Koger, Serge Prokofieff, Paul Hindemith, Karl Amadeus Hartmann
REGIE Harald Koerner
TONTECHNIK Andra Mammitzsch, Regine Schneider
REDAKTION Gerhard Adler
LÄNGE 85 Minuten
ERSTSENDUNG 21.1.2001 SWR RadioArt Feature am Sonntag
WIEDERHOLUNG 14.3.2004 SWR RadioArt Feature am Sonntag